„Mein Leben hat sich verändert – aber es ist immer noch schön.“
Warum haben Sie sich an die Fachberatung gewandt?
Frau O.: „Ich hatte vor einigen Jahren einen Schlaganfall im Kleinhirn und habe seitdem Gedächtnisstörungen. Diese wollte ich mir erst nicht eingestehen, bin dann aber doch zum Arzt gegangen. Dort wurden Untersuchungen gemacht und dann erfuhr ich, dass ich Demenz habe. Die frische Diagnose war ein Schock: Ich hatte das Gefühl, das Leben ist zu Ende – am besten lege ich mich ins Bett und sterbe.“
Wie macht sich Ihre Gedächtnisstörung bemerkbar?
Frau O.: „Betroffen ist das Kurzzeitgedächtnis, das heißt, ich weiß zum Beispiel nicht, was im Zeitraum der letzten zirka drei Stunden besprochen wurde. Außerdem ist mein Gehirn schneller ‚müde‘, dann muss ich mich hinlegen oder ablenken.“
Ute Kern-Müller: „Es gibt unterschiedliche Formen von Demenz und Gedächtnisstörungen. Bei der Demenzform von Frau O. zeigt sich eine Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, die Konzentrationsfähigkeit nimmt schneller ab. Es gibt aber auch Formen von Demenz, bei denen die Betroffenen zum Beispiel motorisch aktiv sind. Sie wollen meist viel laufen und finden dadurch zur Entspannung.“
Was macht die Beratung aus?
Frau O.: „Ich fühle mich in der Beratung wertgeschätzt als erwachsener Mensch. Für mich ist das der Hauptgrund; Frau Kern-Müller berät ganz zurückgenommen und empathisch. Und ich bin hier innerlich entlastet, muss nicht so aufpassen, was ich mache und sage, wie ich das zum Beispiel bei meinen Kindern und Angehörigen tun muss.“
Ute Kern-Müller: „In der Fachberatung möchten wir zunächst einmal den Betroffenen zuhören und individuell schauen, wie die Situation verbessert werden kann. Es ist wichtig, die Person als gleichwertigen Gesprächspartner zu sehen – wir begegnen uns nicht als ‚Kranker‘ und ‚Beraterin‘. Hier steht nicht die Krankheit im Vordergrund gestellt, sondern Chancen und Potenziale. Wir schauen gemeinsam, woran die Person Spaß hat, welche Unterstützungsangebote passen könnten und wie Situationen geschaffen werden können, in denen sie sich sicher und selbstbestimmt fühlt.“
Wie hat die Beratung sich auf Ihr Leben ausgewirkt?
Frau O: „Ich hatte ein schönes Leben – und jetzt habe ich auch wieder ein schönes Leben! Zum Beispiel bin ich früher viel und in der ganzen Welt gereist. Auch wenn das jetzt nicht mehr in der Form möglich ist, habe ich mich für Ende des Jahres nun für eine organisierte Busreise angemeldet. Frau Kern-Müller hat mich darin bestärkt. Wir haben das mehrfach besprochen und durchgespielt: Dort ist der ganze Tag strukturiert und ich kann mich zusammen mit der Gruppe bewegen. Meine Gedächtnisprobleme fallen dann gar nicht auf.
Ein anderes Beispiel: Meine Füße sind mit dem Alter breit geworden und meine alten Schuhe passen mir nicht mehr. Und ich habe jetzt beschlossen, mir richtig teure neue Schuhe zu kaufen!“
Ute Kern-Müller: „Das freut mich, dass Frau O. wieder Lust auf Neues hat und nach eigenen Bedürfnissen schaut“.
Haben Sie Tipps für andere Betroffene oder das Umfeld?
Frau O.: „Betroffene sollten sich nicht so stressen und alles verbergen wollen, sondern sich Hilfe holen und sich helfen lassen. Es ist nicht so schlimm, wenn mal was vergessen wird! Und Sie sollen erstmal in den Spiegel schauen, sich anlächeln, sagen: Wie toll, es gibt vieles, was ich noch kann. Selbst wenn ich vergesslich bin und etwas fehlt, ist es nicht schlimm. Außerdem sollten betroffene Menschen so früh wie möglich eine Beratung aufsuchen und das Thema nicht verstecken. Ich würde empfehlen, jemanden außerhalb der Familie zu suchen für ein neutrales Gespräch. Das hilft sehr“.
Ute Kern-Müller: „Zu uns in die Beratung kommen neben selbst Betroffenen auch viele Menschen, die nicht selbst betroffen sind, aber Fragen zum Krankheitsbild Demenz haben: In erster Linie natürlich Angehörige, aber auch Freunde oder Nachbarn und Arbeitskollegen. Alle Personen im Umfeld eines an Demenz erkrankten Menschen sind herzlich eingeladen, zur Beratung zu kommen und zu erfahren, wie sie besser mit der Situation umgehen können.“
Informationen und Kontakt
Informationen über die Fachberatung Demenz, Termine und Kontaktdaten sowie das gesamte Angebot finden Sie hier.